Montag, 11. November 2013

Niedere Instinkte



Niedere Instinkte

Alles ist erledigt. Der Garten ist aufgeräumt, die Winterreifen sind aufgezogen, die Heizung wurde gewartet, und der Winter kann kommen. Die untergehende Herbstsonne an diesem beschaulichen Restsonntag taucht alles in Purpur. Endlich Zeit für mich. Zeit, um zu schreiben. Aber was? Worüber? Ein Thema muss her. Dürfte ja kein Problem sein. Denkste!
Etwas Ernstes? Taifun auf den Philippinen? Die Pietät verbietet mir, diese Katastrophe in 4000 Zeichen abzuhandeln, und helfen wird es eh keinem. Olympiaabsage in München? Das wird immer noch vom gestrigen „Wetten Dass“ überschattet. Männer und Frauen? An dieser Stelle stellt sich bei mir Unwohlsein ein. Also auch kein Thema. Es bestünde dabei auch die Gefahr, dass ich Leuten wie Mario Barth die Essenz ihrer Daseinsberechtigung mit geistreichen Aspekten verwässere.
Etwas über Kinder, das funktioniert immer. Nein, nicht bei mir. Natürlich liebe ich meine drei Kinder. Die Jüngste ist fast vier, die Älteste macht gerade ihren Führerschein und mein 12-jähriger Sohn versucht gerade im Rahmen einer erzieherischen Maßnahme herauszufinden, wie man Bücher einschaltet. Aber im Job-Modus kann ich nicht einfach so umswitchen auf Familienvater. Kurz gesagt: Jetzt etwas über Kinder zu bringen wäre für mich ungefähr so, als ob ein heroinsüchtiger Kunstmaler seine Spritze zeichnet. Schreiben soll ja auch Spaß machen. Etwas transportieren.
Vielleicht Politik? Harte Fakten mit ihren transparenten Eckdaten, ja, damit ließe sich etwas machen. Persönlichkeiten, Volksbelange und Ergebnisse. Eine klare Linie für meine subjektive Einschätzung. Als ich jedoch  an den NSA–Skandal denke, kommen mir plötzlich Zweifel. Etwa Gabriel als Vizekanzler , oder die Vorratsdatenspeicherung, vielleicht Snowden? Die unsägliche Autobahnmaut? Ein Schäuble, sie zu knechten? Vielleicht doch besser Kinder? Nein.
Etwas Skurriles?  TV! Supertalent, Germanys Next Topmodel, X-Faktor und so etwas. Aber mal ehrlich: Sich darüber lustig zu machen, das gesamte Fernsehgeschehen eingeschlossen, hat etwas Abstoßendes. Als ob man auf einen uralten Kadaver eintritt. Alle rufen: „Stopp! Der ist doch schon tot.“ Und außerdem ist Kalkofe in der Sache nicht zu überbieten. Abgelehnt.
Gibt es vielleicht wieder einen neuen Tweef zwischen irgendwelchen Promis? Für so einen Twitterkrieg reicht ja offenbar sogar, wenn nur einer der Beteiligten einen Account besitzt. Wieder Fehlanzeige! Auf keinen Fall etwas über Prominente schreiben. Schließlich will ich mir keinen freien Eintritt in das P1 erbetteln. Besser etwas über Menschen, die im Leben mal etwas geleistet haben. Oder mutige Menschen. Doch woher nehmen?
Oder Sport. Etwas, das mich so sehr interessiert wie meine kleine Tochter mein Schlafpensum. Aber Fußball kommt immer gut an. Zumindest das Spiel. Die Fans weniger. Diese Ausschreitungen bei Revier-Derbys sind da ja nicht sehr hilfreich. Weg damit. Ich bin ja kein Kriegsberichterstatter.  Formel 1! Vettel? Alonso im Krankenhaus.? Nicht lustig. Nicht nachhaltig. „No sports.“, sagte ja schon Churchill. Damit sind wir dann wieder beim Krieg. Ich beginne zu zittern. Habe ich eine Blockade? Oder gibt es nichts Heiteres mehr um mich herum? Gibt es denn keinen Trend, den man aufgreifen könnte?  Nachhaltigkeit ist so ein Trend. Oder bedrohte Tiere retten. Sea Shepherd. Paul Watson, das ist eine Persönlichkeit, die etwas bewirkt in ihrem Umfeld, ob  Öko-Terrorist oder Held, sei dahingestellt. Meine große Tochter ist jetzt Vegetarierin. Ist doch verantwortungsvoll, werdet ihr denken, aber für mich, der gerne kocht, bedeutet das einen unfreiwilligen anstrengenden Dualismus. Alles muss ich doppelt zubereiten: Einmal ohne Fleisch für die Prinzessin, und einmal ohne Tofu für den Rest der Meute.  
Toll. Jetzt habe ich auch noch Hunger bekommen. Am besten mache ich mir jetzt etwas zu essen. Anschließend sehe ich mir diesen neuen Tatort mit Schimanski an, dann kann ich morgen darüber etwas schreiben.  
Gute Nacht.

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