Niedere Instinkte
Alles ist
erledigt. Der Garten ist aufgeräumt, die Winterreifen sind aufgezogen, die
Heizung wurde gewartet, und der Winter kann kommen. Die untergehende Herbstsonne
an diesem beschaulichen Restsonntag taucht alles in Purpur. Endlich Zeit für mich. Zeit, um zu schreiben.
Aber was? Worüber? Ein Thema muss her. Dürfte ja kein Problem sein. Denkste!
Etwas Ernstes?
Taifun auf den Philippinen? Die Pietät verbietet mir, diese Katastrophe in 4000
Zeichen abzuhandeln, und helfen wird es eh keinem. Olympiaabsage in München?
Das wird immer noch vom gestrigen „Wetten Dass“ überschattet. Männer und
Frauen? An dieser Stelle stellt sich bei mir Unwohlsein ein. Also auch kein
Thema. Es bestünde dabei auch die Gefahr, dass ich Leuten wie Mario Barth die Essenz ihrer
Daseinsberechtigung mit geistreichen Aspekten verwässere.
Etwas über Kinder, das funktioniert immer. Nein,
nicht bei mir. Natürlich liebe ich meine drei Kinder. Die Jüngste ist fast vier,
die Älteste macht gerade ihren Führerschein und mein 12-jähriger Sohn versucht
gerade im Rahmen einer erzieherischen Maßnahme herauszufinden, wie man Bücher
einschaltet. Aber im Job-Modus kann ich nicht einfach so umswitchen auf
Familienvater. Kurz gesagt: Jetzt etwas über Kinder zu bringen wäre für mich ungefähr
so, als ob ein heroinsüchtiger Kunstmaler seine Spritze zeichnet. Schreiben
soll ja auch Spaß machen. Etwas transportieren.
Vielleicht
Politik? Harte Fakten mit ihren transparenten Eckdaten, ja, damit ließe sich
etwas machen. Persönlichkeiten, Volksbelange und Ergebnisse. Eine klare Linie
für meine subjektive Einschätzung. Als ich jedoch an den NSA–Skandal denke, kommen mir plötzlich
Zweifel. Etwa Gabriel als Vizekanzler , oder die Vorratsdatenspeicherung, vielleicht
Snowden? Die unsägliche Autobahnmaut? Ein Schäuble, sie zu knechten? Vielleicht doch besser Kinder? Nein.
Etwas
Skurriles? TV! Supertalent, Germanys
Next Topmodel, X-Faktor und so etwas. Aber mal ehrlich: Sich darüber lustig zu
machen, das gesamte Fernsehgeschehen eingeschlossen, hat etwas Abstoßendes. Als
ob man auf einen uralten Kadaver eintritt. Alle rufen: „Stopp! Der ist doch
schon tot.“ Und außerdem ist Kalkofe in der Sache nicht zu überbieten. Abgelehnt.
Gibt es
vielleicht wieder einen neuen Tweef zwischen irgendwelchen Promis? Für so einen
Twitterkrieg reicht ja offenbar sogar, wenn nur einer der Beteiligten einen
Account besitzt. Wieder Fehlanzeige! Auf keinen Fall etwas über Prominente
schreiben. Schließlich will ich mir keinen freien Eintritt in das P1 erbetteln.
Besser etwas über Menschen, die im Leben mal etwas geleistet haben. Oder mutige
Menschen. Doch woher nehmen?
Oder Sport.
Etwas, das mich so sehr interessiert wie meine kleine Tochter mein
Schlafpensum. Aber Fußball kommt immer gut an. Zumindest das Spiel. Die Fans
weniger. Diese Ausschreitungen bei Revier-Derbys sind da ja nicht sehr
hilfreich. Weg damit. Ich bin ja kein Kriegsberichterstatter. Formel 1! Vettel? Alonso im Krankenhaus.? Nicht
lustig. Nicht nachhaltig. „No sports.“, sagte ja schon Churchill. Damit sind
wir dann wieder beim Krieg. Ich beginne zu zittern. Habe ich eine Blockade?
Oder gibt es nichts Heiteres mehr um mich herum? Gibt es denn keinen Trend, den
man aufgreifen könnte? Nachhaltigkeit ist
so ein Trend. Oder bedrohte Tiere retten. Sea Shepherd. Paul Watson, das ist
eine Persönlichkeit, die etwas bewirkt in ihrem Umfeld, ob Öko-Terrorist oder Held, sei dahingestellt. Meine
große Tochter ist jetzt Vegetarierin. Ist doch verantwortungsvoll, werdet ihr
denken, aber für mich, der gerne kocht, bedeutet das einen unfreiwilligen
anstrengenden Dualismus. Alles muss ich doppelt zubereiten: Einmal ohne Fleisch
für die Prinzessin, und einmal ohne Tofu für den Rest der Meute.
Toll. Jetzt
habe ich auch noch Hunger bekommen. Am besten mache ich mir jetzt etwas zu
essen. Anschließend sehe ich mir diesen neuen Tatort mit Schimanski an, dann
kann ich morgen darüber etwas schreiben.
Gute Nacht.
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