Freitag, 27. Dezember 2013

Sarkasmus ist keine Einbahnstraße...



Sarkasmus ist keine Einbahnstraße

Und der Zyniker wohnt stets in der Ironiestraße. Alles schön und gut. Aber heutzutage ist es nicht mehr ganz ungefährlich, ein Zyniker zu sein. Zynismus bereichert ja die Ironie noch um dieses Quäntchen Rücksichtslosigkeit, gibt dem Ganzen einen Schockeffekt, aber natürlich weiß jeder, dass die Bemerkung nicht ernst gemeint ist. Man unterwirft durch Kommunikationsvortäuschung einen Sachverhalt  seinen Privatbedingungen. Wenn man in meinem Job an einem Anreisetag nach München gesagt bekäme, die Sattelschlepper müssten noch ausgeladen werden, würde das ja auch keine Sau glauben. Verzerrt lächelnd würde man vielleicht noch ein zurückhaltendes „Sehr witzig…“ hervorbringen und das dritte Bier öffnen. Wäre die Antwort des Auftraggebers jedoch ein wenig erfreutes: „Los! Zack, zack!“, hätten wir hier unter Umständen ein Problem. Es wird hier Ironie unterstellt, die vielleicht gar nicht da ist.
Wenn mich ein Freund aus China fragen würde, warum wir uns heute, am 25.Dezember, so sinnlos den Bauch vollschlagen, wobei das die einzige Tätigkeit des Tages ist, und ich würde antworten: „Weil heute vor 2013 Jahren der Typ geboren wurde, den sie mit 30 Jahren an ein großes Holzkreuz geschlagen haben, wo er auch starb. Aber nach drei Tagen war er wieder lebendig, und seitdem wurden in seinem Namen Völker unterjocht und Religionskriege geführt.  Das ist ja keine Ironie. Oder? Bestimmt würde der chinesische Freund es aber so interpretieren, es wahrscheinlich sogar als sarkastisch auffassen Gefährlich wird es aber beim umgekehrten Fall. Dann spräche man vom Misslingen der Ironie im Verstehensmodell.
Möglichkeit 1 – Die Wissensstände sind nicht geteilt
Beispiel: „Vielleicht wird sich der Wohlstand wandeln, aber so, dass wir es nicht als Verzicht erleben werden…“ Angela Merkel Super. Wenn das mal nicht ironisch gemeint war. Nur das Volk wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es Wohlstand erlebt. Deshalb hat wohl keiner gelacht.
Möglichkeit 2 – Der Adressat weiß doch nicht um die Geteiltheit des Wissens
In unserem Beispiel würde das bedeuten, das Volk hielte die Merkel für dermaßen bescheuert, dass sie gar nicht realisiert, dass es den Wohlstand nicht gibt, und empfindet fast Mitleid für so eine Inkompetenz.
Möglichkeit 3 – Der Adressat ist nicht in der Lage, die Intention des Senders mit seiner Ironie zu konstruieren
In unserem Beispiel wären das alle CDU-Wähler

Alles in allem die häufigste Art, wie man mit Zynismus scheitert in der modernen, aber ebenso verblödeten Gesellschaft. Auch als einzelne Person kann man sich durch eine einzige missverstandene Bemerkung ins Abseits befördern. Obwohl man nur witzig sein wollte, schießt man sich mit einem einzigen Satz in die Umlaufbahn um eine tote Sonne. Ist einem Freund neulich so passiert.
In einer lustigen Männerrunde sprachen wir über Kinder und Haustiere. Da sagte Jürgen plötzlich: „Einen Hund oder Kinder anschaffen? Den Teppich versauen oder das Leben!“ 

Jürgen war der einzige ohne Kinder in dieser Runde. Dem eisigen Schweigen folgten wüste Beschimpfungen, und auch mein Einlenken, der Teppich wäre doch in keinem Fall zu retten, konnte den Streit nicht schlichten. Als ob man einem Muslim eine Mohammed-Karikatur vorhielte. 

Kinder übrigens, sollte man von Ironie verschonen. Das packen die nicht. In gewisser Weise ist Ironie auch ein Abwehrmechanismus, bei dem einer, sich nicht traut, seine Botschaft direkt auszusprechen. Er sagt das Gegenteil von dem, was er meint. Das hat in Diktaturen schon vielen Regimekritikern das Leben gerettet. Mit einer Prise Sarkasmus gewürzt kommt das mitunter ganz gut an beim jeweiligen Publikum, und man selber ist fein raus, denn man kann sich herrlich hinter seinen Worten verstecken.
Es gibt allerdings Menschen, die sind so gestört, dass sie gar nichts ernstes mehr sagen können. Und dann verliert man sehr schnell das Feingefühl für die Grenzen des guten Geschmacks. Zum Beispiel sollte man nicht so etwas sagen wie: „Endemol ist die Rache für die Gräueltaten der Nazis in Holland…“ Das ist fies und geschmacklos. Außerdem gibt es immer Leute, die so etwas glauben. Und die werden nicht weniger. Also beherrscht Euch. Ich muss es ja auch.

Montag, 9. Dezember 2013

Experimenta Ausgabe 12/2013 Rezension "Back to Back"

Hier ist die Rezension für mein Buch aus der Dezemberausgabe der EXPERIMENTA
Vielen Dank nochmal an Frau Kremeskötter dafür, dass sie mir erlaubt hat, die Rezension zu veröffentlichen.



Gabi Kremeskötter
Tom Fuhrmann:  Back to Back

Die einzige Regelmäßigkeit, die das Veranstaltungsgewerbe kennt, ist die Unvorhersehbarkeit. Nur Manches lässt sich wirklich verlässlich planen, jederzeit kann etwas Unerwartetes geschehen. Wer nicht zu jeder Zeit improvisieren kann, ist in diesem Job vollkommen fehl am Platze. Die Crew ist in immer neuer Zusammensetzung ein Auffangbecken eines jeden denkbaren Lebenslaufs: Ungelernte neben Studierten, Seiteneinsteiger neben Ausgebildeten. Unkonventionell und bunt wie eine voll belebte Einkaufsstraße an einem Samstagmittag.
Tom Fuhrmann kennt sich aus in dieser Szene. Er ist ein Teil von ihr. Als gefragter Tontechniker reist auch er von einer Veranstaltung zur nächsten, der Nightliner das Zuhause. Kein Wunder, dass Drogenkonsum und Alkohol im Leben der Roadies eine große Rolle spielen. Der Umgangston ist rau und Feingefühl Mangelware. Und genau da platziert der Autor seinen ersten Roman „Back to Back“. Der Protagonist Christian Mücke, angesehen und bekannt in seinem Metier, gerät durch einen Zufall im Ausland in die Netze des Terrorismus. Nichtsahnend bringt ihn der Fund einer teuren Uhr in den Strudel von Gewalt und Verfolgung. Eine rasante Flucht quer durch Europa beginnt. Er findet Unterschlupf und Hilfe bei Freunden, allesamt Teil der Veranstaltungsszene. Sein bester Freund Esteban, ehemaliger Söldner und kriminell bis unter die Achselhaare, wird sein rettender Anker, der schnell die richtigen Schlüsse aus den Verstrickungen seines Freundes zieht. Sogar die Polizei kann er davon überzeugen, den wirklichen Drahtzieher der ausgebrochenen Gewalt im Bereich der El Kaida zu suchen. 
Tom Fuhrmanns Story wird beherrscht von den Dialogen zwischen seinen Figuren. Die nicht sanfte Sprache mag vielleicht Großmutter noch schockieren, doch ist seine Ausdrucksweise somit gleichzeitig spannungs- als auch Milieuabbildend. Der Charme dieses Lokalkolorits macht eine Menge der Anziehung seines Romans aus, erzeugt die Authentizität und einmal in der Hand, mag der Leser sich nicht mehr entziehen sondern ihm folgen auf der sich temporeich entwickelnden Flucht. Es ist nicht nur das blutige Geschehen, das sich wie ein roter Faden durch die Story zieht. Selbst beim überraschenden Finale steht die Improvisation an oberster Stelle.

Tom Fuhrmann:  Back to Back
Broschiert: 148 Seiten
Erschienen im Telescope Verlag am 20. November 2013
ISBN-10: 3941139088
ISBN-13: 978-3941139084
  12,-


Seit 20.11.2013 überall im Handel, auch als eBook

Freitag, 6. Dezember 2013

Strafe muss sein



Strafe muss sein

Jammern ist einfach. Mit einer vergleichbaren Leichtigkeit findet ein verdrossenes Gemüt dabei auch stets den Schuldigen für sein Leid, für das er selbst natürlich nichts kann. Aber es gibt ja auch immer entsprechende Kampagnen, auf die man aufspringen kann. Die Medien stoßen einen mit voller Vehemenz auf absurde, nackte Thesen, Halbwahrheiten und Hetztiraden, wo der denkende Mensch sich von der offensichtlichen Intention der Absender in seiner Intelligenz beleidigt fühlt. Aber diejenigen, die mit dem Universum ihrer eigenen Persönlichkeit schon überfordert sind, belagern gerne die Trittbretter der Meinungsmache, ohne dass sie wüssten, wohin der Zug sie bringt. Es werden Minderheiten angeprangert, Skandale vertuscht, Grundrechte beschnitten und ganze Tiergattungen ausgerottet. Die Zeitungen und Fernsehsender berichten über jede Flatulenz und jedem Heulanfall nerviger C-Promis und bringen Expertisen über Twitter-Dialoge, für die es sich fremd zu schämen noch nicht einmal lohnt. Zwischendurch besteht die Welt mal nur aus Päderasten, dann mal aus Steuerbetrügern, während zeitgleich die Regierung Milliarden verzockt. Sei es eine ebenso tragische wie ausführliche Dokumentation über einen prominenten Hobby-Rennfahrer, der – es ist kaum zu glauben – sich totgefahren hat. Miley Cyrus zeigt ihren Arsch. Micaela Schäfer auch. Der Mittelstand wird zwar seit Jahren ausgeraubt, aber so lange läuft auch schon DSDS. Präsentiert von Krombacher. Prost.
Wir beschweren uns letzten Endes darüber, dass wir dabei zusehen müssen, wie wir langsam verblöden. Am besten gründen wir eine WhatsApp-Gruppe und diskutieren das mal aus. Nicht falsch verstehen, ich finde das alles echt toll mit den sozialen Netzwerken. Die Welt ist transparenter geworden durch die Vernetzung. Außer, Du sitzt im Intercity und bist nicht bei der Telekom. Aber in den Bahnhöfen hat man oft wieder Netz.  Ansonsten mal bei der NSA nachfragen, wenn man glaubt, man hätte selber etwas verpasst im „World Wide Web“. Der dritte Haken bei WhatsApp bedeutet angeblich, dass die NSA die Nachricht auch gelesen hat. Für die Qual, das Liebesgeflüster unserer Kanzlerin belauschen zu müssen, sollten wir den Amis unseren Kram freiwillig ausdrucken. Als Wiedergutmachung. Kleines Danke für die Rosinenbomber und so. Berlin, nicht Afghanistan, wie die Jüngeren vielleicht denken.
Man kann heute froh sein, wenn die Jüngeren überhaupt denken. Es ist manchmal echt hart, mit Teenagern zu kommunizieren. Eine Odyssee von einem vollständigen Satz zum nächsten, trifft es nur ansatzweise. Daran sind wir selbst Schuld. Kinder werden dumm geboren. Wir sind es, die das zu ändern haben, die darin Zeit und Geld investieren müssen. Während an den Schulen die Lehrer kollabieren, verschenkt unsere Regierung Milliarden in Form von Atom-U-Booten. Gottseidank konnte man damals zur Ablenkung Günter Grass wie eine Sau durchs Dorf treiben.
Nun haben wir eine große Koalition. Die letzte hat uns den Mehrwertsteuersatz von 19% beschert. Über die Weimarer Republik kann sich jeder in den Geschichtsbüchern informieren.
Ich bin auch nur am Jammern? Nein, ich bin verzweifelt, und letzten Endes möchte ich nur appellieren: Wir leben gottseidank in einem Land mit einer demokratischen Verfassung. Wir können verändern, und dabei stehen uns alle Mittel zur Verfügung. Aber daran muss man sich aktiv beteiligen. Unter drei bis vier Schichten Müll findet man auch im Netz Informationen, um sich eine Meinung zu bilden. Diese sollte man dann auch vertreten. Nicht sofort alles im Netz teilen, ohne zu überprüfen, woher es stammt.
Zur Veränderung gehört sicher Mut, aber auch die Bereitschaft, der Schwarmintelligenz dieser kaputten Gesellschaft belehrend gegenüber zu treten, und das am besten im eigenen Umfeld. Dann wählt ihr Politiker ab, die ihren Job nicht machen. Strafe muss sein. Kümmert Euch um Eure Kinder, helft der Jugend, aus unseren Fehlern zu lernen. Von selber passiert nichts.

Fang Du doch schon mal an.Bitte.